Wer beim Rechtsabbiegen plötzlich bremst, muss durchaus damit rechnen, eine Mitschuld am Unfall zugesprochen zu bekommen. Entsprechend argumentierte die gegnerische Versicherung im vorliegenden Fall. Die Versicherer gingen davon aus, dass die Frau durch ihr unvorhersehbares Bremsmanöver eine Mitschuld am Unfall trage. Sie habe ihr Fahrzeug mittels einer Vollbremsung zum Stillstand gebracht. Das sei für den Nachfolgenden in der konkreten Situation in keiner Weise vorhersehbar gewesen. Dieser habe auf der kurzen Strecke keine Chance gehabt, einen ausreichenden Sicherheitsabstand aufzubauen und habe deswegen einen Auffahrunfall nicht vermeiden können. Zudem habe sich der Rettungswagen zum Zeitpunkt des Bremsmanövers noch nicht in der Nähe der Kreuzung befunden. Die Fahrerin des ersten Fahrzeugs habe also genügend Gelegenheit gehabt zu erkennen, dass sie bei Fortsetzung des Abbiegemanövers nach rechts kein Fahrzeug mit Sonderrechten gefährden würde. Aus diesem Grund treffe sie ein Mitverschulden an dem Unfall, das mit mindestens einem Drittel zu bewerten sei.
Das Landgericht Hamburg konnte dieser Ansicht nicht folgen. Bei einem Auffahrunfall spreche der Anschein dafür, dass der Auffahrende entweder unaufmerksam gewesen oder beim Abbiegen zu dicht aufgefahren sei. Könne dies nicht widerlegt werden, hafe der Auffahrende. Auch das Bremsen der Fahrerin führe zu keiner anderen Wertung. Ein Verkehrsverstoß liege nur dann vor, wenn es sich um eine starke Bremsung ohne zwingenden Grund handele. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. Auch wenn später kein Fahrzeug mit Blaulicht und/oder Martinshorn an der Unfallstelle vorbeigefahren sei, reiche es, dass die Klägerin ein Martinshorn gehört habe. Das Gericht hatte außerdem Zweifel, ob es sich tatsächlich um eine starke Bremsung gehandelt hatte. Der andere Autofahrer sprach von einer „Vollbremsung“. Da beide Parteien aber bei Grün gerade erst in eine Straße abbiegen wollten, handele es sich wohl eher nicht um eine starke Bremsung.
Die Arbeitsgemeinschaf Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) resümiert: „Wer das Martinshorn eines Einsatzfahrzeugs hört, muss schnellstmöglich herausfinden, von wo sich das Einsatzfahrzeug nähert. Daher ist es auch erlaubt, an einer grünen Ampel zu bremsen. Fährt ein anderer Fahrer dann hinten auf, muss er den Schaden komplett ersetzen.“ (Verkehrsrechtsanwälte im Deutschen Anwaltverein)